Zillertal, Juni - Oktober 2012, Ausgrabungsprotokoll 21

Zillertal, Juni – Oktober 2012, Ausgrabungsprotokoll 21

In den folgenden drei Wochen wurden die bisherigen Fundbereiche systematisch aufgearbeitet und entsprechend dokumentiert. Über den Expeditionsglaciologen Mag. Peter Stolz erfolgte die Anfrage für eine Exkursion der Mies-van-der-Rohe-Stiftung Brünn, bei der angehende Architekten, die dort im Rahmen dreier Jahre als Stipendiaten Urbanistik mit dem Schwerpunkt der urbanen Formensprache studieren, um hier an der Grabungsstelle Imming diese freigelegte Furtpassage im Hinblick auf ihre infrastrukturelle Bedeutung im Kreuzungspunkt der Handelswege von Inntal, Zillertal und hinüber über den Reitherkogel zu untersuchen. Besonders die sehr gut erhaltene Steighilfe an der westseitigen Böschung mit ihrer durchdachten und praxisorientierten Ausformung erweckte das besondere Interesse dieser Exkursionsteilnehmer um den renommierten Städteplaner Boris Pratocek. Im nachfolgenden 1 : 1 Modell der Furtpassage, welches in den Studienräumen der Stiftung in Brünn nachgebaut wurde, konnten interessante Prallelen zum Bau der Stadtbahn in Wien nachgewiesen werden: so ist etwa die Stufentiefe und Stufenhöhe der Treppen bei den jeweiligen von Otto Wagner geplanten Haltestellen, unter Berücksichtigung der jeweiligen durchschnittlichen Körpergrösse erwachsener Männer zur gegebenen Zeit, nahezu ident mit der Stufengestaltung dieser Imminger Furtpassage, und ermöglicht ein energieschonendes und dennoch bewegungseffizientes Steigen von mehreren Personen und/oder Zugtieren zur selben Zeit, selbst in der Ablauffolge eines arbeitsbedingten Transportgeschehens. Die Planung dieser Imminger Furtstelle stellt somit durchaus eine artifizielle Leistung dar, die zusätzlich zur reinen Infrastrukturplanung auch bewusst ergonomische Anforderungen umfasst.

Einmal mehr zeigt sich auf diese Weise, wie wichtig die interdisziplinäre Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Forschungsbereiche sich befruchtend auf die jeweiligen Erkenntnisse der jeweils anderen Forschungsgebiete auswirkt und so zu einem grösseren Ganzen im wissenschaftlichen Sinne führt und in weiterer Folge zu einem tieferen Verstehen und Wissen insgesamt beiträgt.

cult-objecte, zillertal 2012, dr. arkadasch, arteologieAm 12. August 2012 wurde im vorgelagerten Fundamentbereich des nördlichsten Gebäudes – somit exloziert vom Gebäudekomplex samt gepflastertem bzw. eingeebnetem Vorplatz – eine Nische mit drei metallenen Cult-Objecten freigelegt. Die dabei zutage tretende vollkommen neuartige Formengestaltung, die auf den ersten Blick als christlich motiviert erscheint, legte als erste Schlussfolgerung eine um viele Jahrhunderte später erfolgte Errichtung nahe, da neben der Formensprache auch das verwendete Metall und dessen Bearbeitung vordergründig auf die Zeit nach erfolgter Christianisierung des Alpenraumes schliessen liessen.

cult-objecte (2), zillertal 2012, dr. arkadasch, arteologieDer gesamte Nischenbereich besteht aus einem trockenvermauerten, exakt an den Längsseiten in Nord-Süd-Richtung ausgerichteten Geviert, mit einer Längskantenlänge von ca. 47 cm, wobei die beiden Seitenwände nur mehr in rudimentären Spuren vorhanden sind und die vordere Längskante vollkommen fehlt, bzw. durch natürliche oder mechanische Einflüsse zur Gänze abgetragen wurde und nur mehr in Form von wenigen behauenen Einzelsteinen nachweisbar ist. Die metallenen Cult-Objecte bilden ein Triptychon aus drei Kreuzen, die – gleichfalls streng in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet – die in ihrer Aufstellung ein Dreieck ergeben, wobei das mittlere Kreuz leicht nach rückwärts versetzt eine erhöhte Position einnimmt.

Diese Gestaltung stimmt mit den bisherigen Funden ähnlicher Triptychons im Raum Nordtirol formal überein, wie auch die bauliche und architektonische Ausführung der Nische als solcher deutlich erkennbare Bezüge implementiert.