Zillertal, Juni - Oktober 2012, Ausgrabungsprotokoll 21/2

Zillertal, Juni – Oktober 2012, Ausgrabungsprotokoll 21/2

Die Freilegung dieser Fundstelle erforderte von den Grabungskräften äusserste Umsicht und Vorsicht, da die rückseitige Trockenmauer in ihrer gesamten Länge von ca. 47 cm extrem labil in sich selbst verschoben war. Es ist anzunehmen, dass diese Verschiebungen auf jenen extern einwirkenden Kräften beruhen, die sich aus der Abtragung, bzw. Zerstörung des südwärts anschliessenden Gebäudekomplexes ergaben. Die Bodenanalysen belegen für den fraglichen Zeitraum mehrere und auch länger anhaltende (das heisst hydrotemporal bewertet zumindest über fünf aufeinanderfolgende Tage) Überschwemmungen, wobei der aus blockartigen Felsformationen bestehende Hügelabschnitt lediglich in den Fundamentteilen der Gebäude in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dies ist aus den Sedimentspuren der Ablagerungen deutlich erkennbar. Somit ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Abtragung der Gebäude durch oberflächenterrestrische Einwirkungen primär auszuschliessen, wenn auch für spätere Zeitspannen kurzzeitige und vollständige Unterwassersetzungen des Grabungsgeländes nachweisbar sind, die in ihrer Gesamtwirkung infolge der Strömungsrichtung von Süd nach Nord und der damit einhergehenden Schutzfunktion des Hügels, die nördlich gelegene Kultnische nicht weiter in Mitleidenschaft zogen.

kultnische, zillertal 2012, dr. arkadasch, arteologieDie Trockenmauerung der Kultnische folgt an ihrer Längsseite dem natürlichen Verlauf einer felsigen Blockbildung und wurde lediglich um ca. 10 cm im Schnitt (gemessen an der Aussenkante der Trockenmauer) vorgemauert, um so einerseits eine natürliche Drainage für Regen- und Oberflächenwasser zu bilden und andererseits die stets vorhandenen seismologischen Kräfte nach Möglichkeit auszugleichen. Schliesslich liegt der gesamte Alpenbereich in einer geologisch sensiblen Zone, die immer wieder – bis in die Jetztzeit – regelmässig von leichten bis schweren Erdbeben heimgesucht wird.

Die Verschiebungen in der Trockenmauer weisen jedoch keinerlei nennenswerte seismologische Kräfteeinwirkungen aus tiefer gelegenen Schichten auf, vielmehr zeigt eine Vektoranalyse der Bewegungsstrukturen der Nischenwand, dass diese Verschiebungen eindeutig aus direkter südlicher Richtung und weitestgehend an und über der Oberfläche des gewachsenen Bodens ihren Ausgang genommen haben müssen. Zudem ist aufgrund der relativen Geringfügigkeit der Verschiebung – es handelt sich dabei de facto um zwei Bewegungsrichtungen: zum einen um eine in der Mauer in Längsrichtung auftretende Verschiebung von unter 1 cm und um eine quer zur Mauerrichtung verlaufende Verschiebung von bis zu 2,50 cm – von lediglich lokal wirkenden Kräften auszugehen, da weder in den tieferen Fundamentbereichen, noch in der Pflasterung des Vorplatzes zum Gebäudekomplex weitere derartige Verschiebungen festgestellt wurden.

Es erwies sich bei der Freilegung der Kultnische als vorteilshaft, dass der innere Bereich der Nische mit feinsandigen Sedimenten angefüllt und bis zu einer Stärke von 7 cm überdeckt war und sich diese Sedimentzunge, dem Gefälle der Hügelstruktur folgend bis zur Trassierung der Imming Strasse in diesem Bereich fortsetzt. So konnte schichtweise die Kultnische vom Sand befreit und gleichzeitig die Nischenrückwand an ihrer Rückseite mit mineralischem Spezialkleber gesichert und fixiert werden. Die Vorderseitenfixierung erfolgte durch schichtweise Aufsprühung eines transparenten Kunstharzgemsiches. Auf diese Weise gelang es die Nischenrückwand komplett freizulegen und vor Einsturz zu sichern und gleichzeitig die metallenen Cult-objecte an ihren Fixierungspunkten für die weitere Dokumentierung und anschliessende Bergung zu sichern.

Überreste der Seitenwände und der vorderen Nischenmauer wurden in der sich nach Norden hin abfallend ausbreitenden Sedimentzunge geborgen, wobei es sich dabei um teilweise behauene Granitgneissteine, überwiegend aber um unbehauene Naturformen handelt.

Die Mauerkrone der erhaltenen Nischenrückwand weist insgesamt fünf U-förmige Einkerbungen auf, die wahrscheinlich einer (hölzernen?) Abdeckung der Nische dienten. Aufgrund der klimatischen Bedingungen ist anzunehmen, dass es sich dabei um eine schräge, dachartige Konstruktion handelte, die einen steten Abfluss von Regenwässern gewährleistete.