Stubaital, Juli – Oktober 1985, Ausgrabungsprotokoll 9

Stubaital, Juli – Oktober 1985, Ausgrabungsprotokoll 9

Es ist nicht selten einer Art von Zufall zu verdanken, dass gerade in scheinbar unbedeutenden arteologischen oder auch archäologischen Gegenden bedeutsame Funde ans Tageslicht treten. Freilich muss hier generell festgehalten sein, dass es auch dazu einer eingehenden und gründlichen Vorarbeit im Sinne eines Studiums sämtlicher zur Verfügung stehender Quellen bedarf, um aus diesen theoretisch erzielten Kenntnissen und Rückschlüssen in der manuellen Tätigkeit innerhalb der praktischen Umsetzung der erarbeiteten Ergebnisse zu einem positiven Befund zu kommen.

Seit Schliemann ist es unbestritten, dass sowohl in der verschriftlichten Überlieferung, speziell aber auch in der mündlich tradierten Weitergabe von uraltem Wissensgut (welches wiederum häufig in den späterhin verschriftlichen Märchen und Sagen einer verortbaren Population seinen  – wenn auch oftmals in vercausalierter Form – Niederschlag findet), historisch und/oder soziologisch relevante Tatsachen in teils verschlüsselter und auch bewusst verdrehter Art und Weise als Kernaussagen vorhanden sind.

stubaital, 1985, dr. arkadasch, arteologieDas Quellenstudium vorab muss daher zuerst eine möglichst breite und oft sogar kontroversielle Katalogisierung von einschlägigen Texten und Berichten sammeln, um aus dieser Materialfülle mit Hilfe einer synlegisierten Summation spezifische Grundstrukturen heraus zu arbeiten und einer arteologischen Bewertung zuzuführen. Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten sind unter analytischem Ansatz nach strengen wissenschaftlichen Kriterien nach ihrer Grabungstauglichkeit zu bewerten, um so zum einen den Einsatz von Material und personellen Ressourcen optimal zu gewährleisten und weiters dem generellen Ansatz der „Funderhaltung vor Fundsicherung“ zu entsprechen.

Unter diesen Prämissen wurde selbstverständlich die erste Expedition nach Nordtirol/Österreich (1982) geplant und umgesetzt, welche in weiterer Folge – im Zuge der arteologischen Auswertungen – zur Nachfolgeexpedition im Jahre 1984 führten. Die Ergebnisrelevanz einer jeden Grabung bedingt im günstigen Falle einer positiven Miteinbeziehung der lokalen, eingeborenen Bevölkerung sowie der verantwortlichen, lokalen Führungsschicht, eine wünschenswerte Bereitschaft und Aufmerksamkeit, welche sich bedürfnisorientiert in einer weiteren Vertiefung der eigenen arteologischen Geschichtlichkeit manifestiert.

Gerade dieses Interesse führt dann häufig zu Funden abseits der festgelegten Hauptgrabungsgebiete und einer Koexistenz von lokalen Wertigkeiten mit der geplanten arteologischen Zielsetzung. Der Nutzen einer derartigen Zusammenarbeit mit eingeborenen Kräften kann nicht hoch genug geschätzt werden. Es muss aber sichergestellt bleiben, dass  sämtliche arteologisch wissenschaftlichen Notwendigkeiten dem meist dilettantischen Eifer der eingeborenen Kräfte vor Ort umgehend Einhalt gebieten, um zu vermeiden, dass durch falsche Prioritätensetzungen Fundmaterial unwiederbringlich zerstört wird oder verloren geht. Zudem besteht leider auch die Gefahr von Fundräubertum, welches nicht nur in vergangenen Zeiten zu problematischen Verlusten von Funden und der Vernichtung von Fundstätten führte, sondern auch in der heutigen Zeit, besonders in Gegenden politischer Unsicherheiten, nach wie vor ein weitestgehend ungelöstes Problem darstellt. In den Fundgebieten von Nordtirol/Österreich erscheint momentan diese Problematik allerdings von untergeordneter Bedeutung. Dies fusst zum einen auf der immanenten Obrigkeitshörigkeit der Eingeborenen welche sich meist in einem vorauseilendem Gehorsam gegenüber legislativen und administrellen Institutionen zeigt, und zum anderen auf der Bereitschaft der, wenn auch eher kleinen, intellektuell gebildeten Schicht, die arteologisch wissenschaftliche Arbeit vorab zu unterstützen. Inwieweit diese Unterstützung als dauerhaft anzusehen ist, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit angegeben werden.