Stubaital, Juli – Oktober 1985, Ausgrabungsprotokoll 10

Stubaital, Juli – Oktober 1985, Ausgrabungsprotokoll 10

Die Situation vor Ort stellte sich folgendermassen dar: am rechtsseitigen Trassenrand der Strasse (aus Richtung Telfes kommend), zum abschüssigen Gelände in den Uferbereich der Ache zweigt nach einer ausladenden Rechtskurve ein unbefestigter Feldweg ab, der hinunter in den Aubereich der Ache führt. Die linksseitige Strassenbefestigung zu einem bewaldeten bzw. reich mit Buschwerk durchzogenem Hang wird durch eine Natursteinmauer geböscht, welche gleichzeitig mit einem Oberflächenwassergerinne versehen ist, um so eine Festigkeit der asphaltierten, doppelspurigen Fahrbahn zu gewährleisten. Durch die anhaltenden Frostschäden der vorangegangenen Winter (der Temperaturverlauf des Winters 1984/85 zeitigte in dieser inneralpinen Region relativ langandauernde Frostperioden, abgewechselt durch wenige Tauwettertage, welche wie in dieser Region vermehrt auftretend, einer lokalen Wetterlage mit warmen Fallwinden – hierorts als „Föhn“ bezeichnet [vgl. hiezu die sprachl. Verwandtschaft des Wortes „Haarföhn“] zu verdanken sind) gepaart mit teilweise extensiver Salzstreuung (die Strassen und Wege müssen im Sinne der touristischen Erfordernisse der Talschaft selbst im Hochwinter nahezu problemfrei mit Winterreifen befahrbar bleiben), welche sich in einer sehr starken Erodierung der Asphaltschicht sowie der umgebenden, das  extrem mit Salzen angereicherte Schmelzwasser aufnehmenden Seitentrassierung des Banketts niederschlägt.

Erst nach Ablauf des Winters, welcher kalenderspezifisch in dieser Region auf Grund tradierter Wetterregelwerke erst mit dem 15. Mai zusammenfällt (sh. Giles Vanderstroven, „Wettergötter, Wettersprüche und Lostage im Alpenraum“, Society Press, 1956), erfolgt die jährliche Begutachtung diverser Strassenschäden und die daraufhin angeordnete Reparatur, geordnet nach verkehrslogistischen Schwerpunkten und finanziellen Ressourcen. Bereits im Oktober endet normalerweise klimabedingt diese Zeitspanne für sinnvolle Instandsetzungen. Alles hernach kann lediglich als verkehrstechnisches Provisorium gelten und wird von aus maximal für die Dauer eines Winters angelegt.

Dieses Bewusstsein, einerseits um die Wertigkeit einer tourismusförderlichen Infrastruktur (schliesslich werden mehr als 77 % der Wirtschaftsleistung dieser Talschaft direkt oder indirekt im Fremdenverkehr erwirtschaftet) und andererseits um das relativ kurze zeitliche Fenster in dem Reparaturen im Bereich von Fundamentierungen und Trassierungen durchgeführt werden können, schlägt sich in einem von Fleiss und Exaktheit geprägtem Arbeitsstil nieder, welcher zum einen von einer autoritären Hierarchie innerhalb der Arbeitsgruppen geprägt ist, andererseits aber auch dem typischen Nimbus der tirolerischen Eingeborenen insgesamt weitestgehend entspricht, da sich hier der soziale Status, wie selten anderswo, fast ausschliesslich über monetären Erfolg und Besitztum definiert.

keramoider fund, stubaital 1985, dr. arkadasch, arteologieEs entspricht daher den üblichen Gepflogenheiten, dass im Juli 1985 umgehend nach Besichtigung der Frostschäden dieser Strassenbereich mit schwerem Gerät und entsprechender Mannschaftsstärke als vorrangiger Bauabschnitt behandelt wurde. Die Fahrbahn wurde auf eine Fahrspur reduziert, der Mittelstreifen mit mechanischen Trennelementen gezäunt und jeweils am Anfang und Ende der Baustelle mit einer halbautomatisierten Ampelanlage gesichert. So konnte der linksseitige Trassenrand des Strassenbanketts mit Baggern und Presslufthämmern aufgerissen werden, um derart auch den Unterbau der Fahrbahnbefestigung neu zu fundamentieren und zu sanieren. Im Zuge dieser Arbeiten wurden sodann die ersten keramoiden Fundstücke ans Tageslicht befördert. Dass es sich hierbei um keine schonende oder gar sorgfältige Behandlung von arteologisch-wissenschaftlichen Funden handeln konnte, ergibt sich nahezu zwingend aus dieser Situation.

keramoider fund, bild 2, stubaital 1985, dr. arkadasch, arteologieVielmehr wurde auf einem mehrmeterigen Bereich der Baustelle – in diesem Fall glücklicherweise genau bei der oben beschriebenen Abzweigung eines unbefestigten Weges zur Ache hin – durch den Einsatz einer Baumaschine eine optisch auffallende Gruppe von keramoiden Bruchstücken zu Tage befördert. Der unmittelbare Baustopp in diesem Abschnitt und die Hinzuziehung von Experten ermöglichte es Dr. Arkadasch und seinem Team zeitnah zu einer Beurteilung dieser Fundstücke zu gelangen und so die weitere Vorgangsweise mit den zuständigen Behörden und politisch verantwortlichen abzustimmen.

Diese keramoiden Bruchstücke, wobei erst eine genaue Analyse darüber Auskunft geben kann, ob der Bruch der Keramika schon vor dem Einsatz der Baumaschinen zur Gänze erfolgte, oder aber postmechanisch dem Arbeitseinsatz der Baumaschinen zugeordnet werden muss, weisen eine stark farbpigmentierte Einheitsfärbung auf. Die Bruchkanten entsprechen einheitlich einer kreideweissen, irdenen Brandtechnik und zeigen klare Risskanten ohne oberflächenspannungsrelevante Fortsetzungen im Bereich der unifarbigen Glasur. Die Verteilung dieser Bruchstücke an der maschinell aufgebrochenen Oberfläche entspricht dem im Nachhinein nachgevollzogenen Maschinenaufwand. Bereits wenige Zentimeter tiefer wurde jedoch die zentrale Fundstelle dieser keramoiden Bruchstücke geortet und abgesichert.