Inntal, Juni – August 1982, Ausgrabungsprotokoll 16

Inntal, Juni – August 1982, Ausgrabungsprotokoll 16

Nahezu im Tagesabstand wurden von den Grabungstrupps nunmehr Kleinfunde an das Tageslicht gebracht. Es entwickelte sich innert der gesamten Mannschaft eine Art von euphorischem Jagdfieber, welches sich in einer um circa 13 % höheren Materialverschichtung niederschlug. Sowohl die direkten Grabungskräfte mit Schaufeln und Harken, als auch die Feingrabungskräfte mit Pinseln, Handbesen, Kellen und Spateln versorgten sowohl die Nasssiebstellen, als auch die Trockensiebanlage mit derartig viel Material, dass eine arteologische Haldenbewirtschaftung sich als Notwendigkeit herausstellte.

Derartige Phasen einer intrinsischen Motivation gilt es effizient zu nutzen. Zum ersten Mal bedurfte es keiner direkten Anspornung mehr durch das wissenschaftliche Personal des Teams „Inntal“, vielmehr hatten sämtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einer nahezu elterlichen Strenge darauf zu achten, dass sich bei diesem Grabungstempo keinerlei Unachtsamkeiten oder gar Schlampereien beim einheimischen Personal einschleichen konnten. Wie oft schon wurden wertvolle Fundstücke durch den Übereifer von ergebnisgeblendeten Dilettanten hoffnungslos zerstört!

Es war zeitweise – nicht nur auf Grund der sprachlichen Barrieren – sehr schwierig, hier jene Schürfparameter aufrecht zu erhalten, welche unabdingbar für ein exaktes wissenschaftliches Vorgehen sind. Die eingeborenen Hilfskräfte betrachteten ihre Tätigkeit mehr und mehr von einer „sportlichen“ Seite, wetteiferten untereinander nach gegrabener Kubatur und vernachlässigten so jene Sorgfalt zunehmend, ohne die jede Präzession und funderhaltende Funktionalität verlorengehen muss.

Hier nützten weder Ermahnungen noch gutgemeinte Ratschläge – mit diesem unprofessionellen Grabungsszenario würde innerhalb kürzester Zeit jeder wissenschaftlich-arteologische Ansatz ad absurdum geführt. Die Diskussion darüber, wie man am schnellsten und besten diese Situation dauerhaft bereinigen konnte, führte zu durchaus angeregten Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Teams „Inntal“. Die Vorschläge reichten von Verkürzungen des Salärs bis hin zu Strafpönalen und Entlassungen, um so den Fortgang der Grabungen nicht weiter zu gefährden. Dr. Arkadasch telefonierte diesbezüglich auch mit dem administrativ Verantwortlichen am Arteologischen Institut der Freien Universität Izmir.

Man mag im wissenschaftlichen Zusammenhang den Ausdruck „Glück“ nicht gerne verwenden, doch in diesem Fall scheint er dennoch passend: den am nächsten Tag wurde bei der Aufarbeitung des angehaldeten Materials in der Trockensiebanlage der nächste bedeutende Fund getätigt. Wie ein Lauffeuer sprach sich auch dieses Mal dieser Sucherfolg herum. Die Hilfskräfte liessen wiederum ihr Werkzeug liegen und stehen und eilten zur Trockensiebanlage. Da bei diesen Anlagen von Haus aus mit zumeist eher kleincorpuralen Fundstücken zu rechnen ist, welche vorsorglich gegen Verlegen und Diebstahl abzusichern sind, werden sämtliche Rüttler und Fangbecken dieser maschinellen Anlage mit stählernen Schutzgittern versehen, welche nur durch beauftragtes Personal geöffnet werden können. Doch es war kein Kleinfund, nein, es handelte sich um keramoide Bruchstücke von Splittergrösse bis hin zum Ausmass einer DIN A5 Seite. Die irdenen Bruchstellen weisen eine sehr helle Farbe aus (nahezu ins Weiss gehend), was generell auf eine relativ hohe Technik der Brennkunst schliessen lässt. Zudem sind die Bruchstücke glasiert (in einer Art von Tauchemaillierung) und es ist auch eine Verzierung mit Schriftzeichen vorzufinden.

Bis in die späten Abendstunden wurde gesiebt, entstaubt, skeptoterrestisches Material gegenbegutachtet und anschliessend zu einer ersten Analyse ins Labor verbracht.